Tag 73 unserer Reise durch Europa.
Nach ein paar schönen Tagen am Nationalpark Coto de Doñana in Andalusien ging heute unsere Reise weiter. Spätestens jetzt war uns klar, dass wir nun doch nicht die Tage bis zur Fährüberfahrt nach Marokko in Portugal verbringen werden, sondern wir bleiben einfach noch in Andalusien. Da der Rio Tinto nur eine halbe Tagesfahrt entfernt lag, erklärten wir das als unser neues Ziel. Doch auf dem Weg dorthin, nur wenige Kilometer vom Doñana entfernt, lag das kleine Dorf El Rocío quasi direkt am Straßenrand. Nun ja, es als normales Dorf in dem Sinne zu bezeichnen traf es vielleicht nicht ganz.
El Rocío – Wallfahrtsort mit Westernkulisse
El Rocío liegt direkt am nordwestlichen Rand des Coto de Doñana und überrascht den Besucher mit einer einzigartigen Kulisse und Atmosphäre. Bereits bei der Einfahrt zum Ort weht der Sand über die Fahrbahn und sobald man den Ort betritt, präsentiert sich ein gänzlich anderer Baustil als den, den man sonst in Andalusien erwartet. Man hat vielmehr den Eindruck in einer Westernstadt angekommen zu sein. Der gesamte Ort wurde auf Sand gebaut, es gibt keine befestigte Straßen. Wir parkten ein klein wenig außerhalb und gemeinsam mit uns strömten bereits zahlreiche Besucher Richtung Dorfmitte. Staub lag in der Luft, die ersten Pferdekutschen kamen uns entgegen und Pferde mit ihren Reitern trabten über den großen Platz vor der Ermita del Rocío, der Kirche im Zentrum des Dorfes. Hier, im Herzen von El Rocío, trafen sich Besucher, Touristen und Gläubige. Viele hatten sich dem Anlass entsprechend gekleidet. Enge Reiterhosen, Stiefel und Cowboyhüte verstärkten den Eindruck, man hätte soeben einen Zeitsprung vollzogen. Aus der Gegenwart, direkt in den Wilden Westen der USA vor langer Zeit. Einzig die Autos, die die Fahrbahn mit den Kutschen und Reitern teilten und die vielen Reisebusse, die auf die Besucher warteten, zeigten uns, dass wir noch im Hier und Jetzt waren.
Aber warum das ganze Spektakel? El Rocío ist ein Wallfahrtsort, der die meiste Zeit des Jahres eher wie ausgestorben wirkt. Er hat normalerweise kaum mehr als 800 Einwohner. Doch zu diversen Veranstaltungen über das Jahr verteilt kommen Menschen aus allen Landesteilen hierher. Der Höhepunkt der Feste ist Pfingsten, wenn mehr als eine Million Pilger nach El Rocío kommen. Dann reisen über 100 Bruderschaften aus ganz Spanien und dem Ausland an. Sie beziehen nun die Häuser im Dorf, die den Rest des Jahres leer stehen. Am Pfingstsonntag versammeln sich die Gläubigen in und an der Kirche, der Ermita. Früh am Morgen zum Sonnenaufgang überspringen die Mitglieder der Mutter-Bruderschaft die Absperrung, vollziehen den sogenannten Salto de la reja und tragen die Jungfrauenstatue nach draußen. Die Blanca Paloma schreitet schließlich zu allen anderen Bruderschaften. Auf Schultern getragene Priester halten Dankesgebete und Fürbitten für das nächste Jahr. Um einen besonderen Segen zu erhalten, versuchen viele Gläubige die Statue, oder zumindest ihr Gewand, oder das Podest zu berühren. Das 14 Tage dauernde Spektakel endet am Dienstag nach Pfingsten, wenn alle Bruderschaften wieder abreisen.
Wir waren natürlich nicht an Pfingsten zu Besuch. El Rocío wird im Laufe des Jahres vor allem von Tagestouristen besucht, die im Umland gerade Urlaub machen. Doch zu unserem Besuch fand zufälligerweise eine Festwoche statt und so konnten wir zumindest einen kleinen Eindruck davon bekommen, welch ein Trubel sich hier wohl zu Pfingsten abspielen mag. In der Ermita wurde gerade ein Gottesdienst abgehalten, ganz anders, als beispielsweise bei uns Zuhause. Es war laut und die Menschen sangen zu fröhlicher Musik. Auf dem großen Vorplatz wurden an diversen Ständen Kerzen verkauft, welche die Besucher anschließend in der Kapelle gegenüber der Ermita anzündeten. .
Als der Gottesdienst beendet war, versammelte sich eine kleine Gruppe von Sänger und Sängerinnen vor der Kirche. Im Gleichklang mit ein paar Instrumenten stimmten sie ein Lied an und sangen zusammen. Welche Bedeutung dieses Lied hatte konnten wir leider nicht herausfinden, doch es mutete nach einer Art Dankeslied an. So endete unser kurzer Besuch in El Rocío und wir freuten uns über tolle Eindrücke, vor allem wenn sie so überraschend kommen. Wir wussten vorher nämlich nichts über das kleine Dorf, dessen Hintergründe und Geschichte.
Rio Tinto, der rote Fluss
Unsere Reise ging nun weiter Richtung Norden ins Landesinnere zum Rio Tinto, dem roten Fluss. Er ist nicht gerade groß und lang, insgesamt lediglich einhundert Kilometer, aber er ist einzigartig durch seine vorwiegend rote Farbe. Er wirkt mystisch, surreal und in gewissen Maße auch nicht gerade gesundheitsfördernd. Seine Färbung entsteht durch die Verwitterung von Schwermetallmineralien in den dort vorkommenden Erzlagerstätten, wobei bestimmte Mineralien durch Bakterien zu Schwefelsäure umgewandelt werden. Diese Schwefelsäure gelangt anschließend mit den Niederschlägen in den Fluss und so entsteht die Färbung des Flusses in diversen Farbtönen von Rostrot über Blutrot bis Violett. Mit seinem pH-Wert zwischen zwei und drei ist er sauer und außer den im Fluss lebenden diversen Bakterien ist er frei von Lebewesen.
Wir übernachteten in der Gegend um den Ort Minas de Rio Tinto. Bereits vor 5.000 Jahren wurden hier Kupfererze, Silber, Gold und andere Metalle von den Iberern geschürft. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben die Minen eine wechselvolle Geschichte hinter sich und auch heute noch lohnt sich für die Unternehmen der Abbau je nach Marktpreis der Metalle. Die Landschaft ist tief zerklüftet vom Tagebau der umliegenden Minen und lädt nicht gerade zum längeren Verweilen ein, doch es lohnt sich trotzdem der Gegend einen kleinen Besuch abzustatten. Besuchen sollten man auf jeden Fall den Embalse de Gossán, ein kleiner Stausee unweit von Minas de Rio Tinto, welcher dem Bergbau zur Wasserversorgung dient. Am nördlichen Ufer, direkt an der Landstraße, haben sich hier an Pflanzen im Laufe vieler Jahre Partikel abgelagert und es entstanden faszinierende Gebilde. An vertrocknetem Seegras kleben helle bis braune Kristalle, an abgestorbenen Bäumen haben sich zentimeterdick rotbraune Sedimente abgelagert. Wirklich sehr faszinierend und tolle Fotomotive. Hier ist der Link in Google Maps zum entsprechenden Punkt: https://goo.gl/maps/aoTWX2toGM1FZL7p8
Die Museumsbahn am Rio Tinto
Wer Interesse an der Bergbaugeschichte hat, kann eine Fahrt mit der Museumsbahn durch das stillgelegte Bergbaugelände buchen. Während der Wintermonate fährt zudem die Museumsbahn jeden ersten Sonntag im Monat mit einer kleinen Dampflokomotive, anstatt mit einer normalen Diesellok. Das macht die Attraktion etwas spezieller, ansonsten ist die Fahrt eher weniger spektakulär. Aus der laut Webseite versprochenen Fahrstrecke von zwölf Kilometern wurden bei unserer Fahrt nur sechs Kilometer, also einmal bis zur nächsten Station und wieder zurück. Aber trotz allem war es irgendwie ganz nett mit Schritt- oder Wandergeschwindigkeit durch das Tal zu zuckeln, vorbei an vor sich hin rostenden, historischen Dampflokomotiven und alten Waggons. Wer des Spanischen mächtig ist, erhält vom Guide vermutlich noch zahlreiche Informationen über die Geschichte des Bergbaus, für uns ohne Spanischkenntnisse war es dann eher schade, keine Informationen zu bekommen. Aber gut, wir waren bisher vermutlich verwöhnt durch die vielen anderen guten Guides.
Wandern am Rio Tinto
Nach viel Industrie und verfallenen Bergwerken war es für uns nun wieder Zeit für mehr Natur. Wir fuhren südlich in die Nähe von Berrocal an einen der wenigen Orte, der direkt an einer Brücke über den Fluss mit dem Fahrzeug erreichbar ist. Es gibt wenige bis keine offizielle Wanderwege direkt am Fluss, jedoch wurde hier die alte Bahnstrecke entlang des Flusses zurück gebaut und wich einem geschotterten Fahrradweg, dem Vía Verde Río Tinto, durch das Naturschutzgebiet des Rio Tinto. Hier kann man gemütlich entweder zu Fuß, oder mit dem Fahrrad einige Kilometer durch das Flusstal zurücklegen. Immer im Blick das tiefrotbraune Wasser des Flusses. Sollte es nun spät geworden sein und man sucht einen ruhigen Übernachtungsplatz, kann man entweder direkt an dem Parkplatz an der Talbrücke übernachten, oder man fährt die kurvige Landstraße bergauf Richtung Berrocal und biegt darauf hin an der nächsten Gabelung nach rechts ab, dann erreicht man nach einem Kilometer rechterhand auf der Anhöhe eine riesige Ebene mit Blick auf das Tal. Hier standen wir drei Nächte in aller Einsamkeit fernab der Camperwelt. Lediglich die Guardia Civil besuchte uns an einem Abend und fragte ob alles in Ordnung sei. Sie wiesen uns freundlich darauf hin, dass man auch im Ort stehen könne und es auch dort Möglichkeiten zur Ver- und Entsorgung gäbe. Doch ein freies Stehen hier in der Natur wäre kein Problem. Wir freuten uns über so viel Nettigkeit und konnten so ganz beruhigt schlafen, bevor wir uns in Richtung Sevilla aufmachten.
2 Responses
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